Lukas Podolski im Interview
„Es ist schwer, diesen Sport loszulassen“
Es sind nur wenige Minuten, bis Lukas Podolski auf dem Trainingsgelände von Górnik Zabrze ankommt, als wir ihn erreichen. Die Stimme entspannt, die Laune gut, ein Hauch Müdigkeit – man spürt sofort, dass dieser 40-Jährige in einer Lebensphase angekommen ist, in der Routine und Fußball ineinanderfließen wie in kaum einem anderen Spieler seiner Generation.
Podolski ist Weltmeister, Unternehmer, Markenfigur, Kultspieler – und doch vor allem eines geblieben: Fußballer. Ein echter. Einer, der den Sport nicht verlassen kann, auch wenn das Leben neben dem Platz längst ein zweites Standbein bietet. Oder eher: zehn Standbeine.
I. Ein Weltmeister auf dem Heimweg
Es wirkt fast wie ein Kreis, der sich geschlossen hat: Podolski spielt wieder dort, wo alles begann – im Herzen von Zabrze. Die Stadt, in der er den Ball zum ersten Mal richtig traf, in der er seine ersten Träume formte, in der Fußball mehr war als Unterhaltung.
Dass er 2021 dorthin zurückkehrte, galt damals als romantische Geste. Heute wirkt es wie ein Statement.
Podolski sagt, er sei „nur fünf Minuten vom Stadion entfernt“ aufgewachsen. Und wer ihm zuhört, erkennt sofort: Für ihn geht es nicht um Nostalgie. Es geht um Verantwortung. Um Verbundenheit. Um etwas, das in Zeiten globaler Spielermärkte selten geworden ist.
„Ich plane, dass es meine letzte Saison ist“, sagt er – und genau in diesem Satz steckt die Wahrheit über ihn. Es ist gleichzeitig eine Ankündigung und eine Hintertür. Denn ganz sicher ist sich Podolski nicht. Er ist es nie, wenn es ums Aufhören geht.
Der Fußball hält ihn fest. Und er hält ihn fest.
II. Die Unruhe im Herzen eines Spielers
Podolski weiß, wie ungewöhnlich es ist, mit 40 Jahren noch Feldspieler zu sein.
Er weiß, dass seine Generation fast vollständig abgetreten ist.
Und er weiß, dass nur noch ein Name mit ihm in dieser Kategorie auftaucht: Cristiano Ronaldo.
Das sagt er nicht aus Ego – sondern aus Staunen. Zwei Spieler, die 2004 bei der EM debütierten, stehen 2025 immer noch auf dem Platz.
Nicht, weil sie müssen,
sondern weil sie wollen.
„Man muss diesen Sport lieben“, sagt Podolski.
Und bei ihm klingt dieser Satz wie eine einfache Wahrheit, die keine weitere Erklärung braucht.
III. Titelträume in Zabrze – und eine offene Zukunft
Dass Zabrze derzeit an der Spitze der polnischen Liga steht, bringt ein neues Element in Podolskis Saison:
die Chance, sich mit 40 nochmal für die Champions League zu qualifizieren.
Er lacht, als er darüber spricht:
„Vielleicht spiele ich dann nochmal gegen Bayern.“
Aber in seinem Lachen steckt auch Ernst.
Podolski würde sich diese Chance nicht entgehen lassen.
Gleichzeitig denkt er darüber nach, Anteile am Klub zu erwerben. Zabrze ist für ihn mehr als ein Arbeitgeber – es ist ein Projekt. Einer seiner vielen beruflichen Wege, aber der einzige, der auf tiefem Gefühl basiert.
Podolski hat Dönerläden, Eisdielen, ein Modelabel, eine Soccerhalle, Festivals. Er hat sich ein zweites Leben aufgebaut. Aber seine Stimme wird weicher, wenn er über Zabrze spricht.
Dort steckt sein Herz.
Der Rest ist Geschäft.
IV. Bayern – Erinnerungen voller Widersprüche
Wenn Podolski über den FC Bayern spricht, fällt auf:
Er ist einer der wenigen, der über seine Münchner Zeit nicht mit Bitterkeit spricht.
Er widerspricht der gängigen Erzählung, er sei dort gescheitert.
Für ihn war es ein wichtiger Schritt.
Ein lehrreicher Schritt.
Ein Teil seiner Identität.
Er erzählt von Hoeneß, Rummenigge, Hitzfeld, Heynckes, Magath.
Von all den Namen, die den deutschen Fußball geprägt haben.
Von seinem Champions-League-Debüt, an das er heute noch denkt, als wäre es gestern.
Und er sagt einen Satz, der viel über ihn verrät:
„Ich bin stolz, beim größten Verein Deutschlands gespielt zu haben.“
Podolski ist keiner, der Türen zuschlägt.
Er ist einer, der sie offen lässt.
V. Kompanys Bayern – eine Mannschaft, die ihm gefällt
Podolski verfolgt Bayern weiterhin – und er tut es nicht wie ein Pensionär, der über moderne Taktik schimpft.
Er sieht eine Mannschaft, die „dominant spielt“, die „füreinander rennt“, die „ein echtes Team ist“.
Er spürt, dass etwas wächst.
Er formuliert es vorsichtig, fast abwartend.
Aber man merkt: Er glaubt an diese Saison.
Podolski weiß, wie entscheidend Atmosphäre ist.
Wie wichtig Zusammenhalt ist.
Wie selten echter Teamgeist im modernen Fußball geworden ist.
Und er erkennt ihn bei Bayern.
VI. Arsenal – ein Traum, den er wirklich gelebt hat
Als Podolski über Arsenal spricht, verändert sich sein Ton. Er wirkt wacher, fröhlicher, energischer.
Man merkt sofort:
Das war sein Verein.
Der Anruf von Arsène Wenger war für ihn ein Karriere-Moment. Einer dieser Anrufe, die Spieler nie vergessen.
Er spricht über London, über das Emirates Stadium, über die familiäre Atmosphäre, die man von außen kaum erkennt.
Er erinnert sich an 82 Pflichtspiele, an 31 Tore, an 15 Assists – aber nicht an sie als Zahlen.
Sondern als Leben.
Arsenal bleibt für ihn ganz nah.
Näher, als man denkt.
VII. Arteta – der Spieler, aus dem ein Stratege wurde
Podolski war nicht überrascht, dass Mikel Arteta einmal Trainer werden würde.
„Er war unser Kapitän. Ein Leader. Der verlängerte Arm von Wenger.“
Ein Spieler, der schon damals im Kopf Trainer war.
Und Podolski sagt etwas, das viel über Artetas Karriere erklärt:
Er war nie laut.
Er war klar.
Heute formt Arteta den Klub in seinem eigenen Bild: taktisch, diszipliniert, leidenschaftlich – aber analytisch.
Und Podolski glaubt:
Dieser Trainer kann eine Ära prägen.
VIII. Eine Partie zwischen zwei Lieben
Bayern gegen Arsenal – für Podolski kein normales Spiel.
Er sagt, er drücke beiden Teams die Daumen.
Man glaubt ihm.
Die Bindungen sind zu stark, die Erlebnisse zu prägend, die Erinnerungen zu warm.
Und er traut beiden viel zu.
Arsenal? „Dominiert, extrem defensiv stark.“
Bayern? „Es liegt was in der Luft.“
Und sein Tipp?
Ein Unentschieden.
Natürlich.
Der Diplomat Podolski.
IX. Warum er den Fußball nicht loslassen kann
Das Interview endet mit einem Satz, der hängen bleibt:
„Es ist schwer, diesen Sport loszulassen.“
Es klingt nicht melancholisch.
Nicht nostalgisch.
Nicht wie ein Mann, der den Abschied fürchtet.
Es klingt wie Wahrheit.
Podolski lebt den Fußball.
Nicht als Karriere.
Nicht als Beruf.
Sondern als Gefühl, das nicht vergeht.
Und genau deshalb spielt er immer noch.
Deshalb redet er immer noch darüber.
Deshalb strahlt er, wenn er über Zabrze, über Bayern, über Arsenal spricht.
Er ist 40.
Er ist Weltmeister.
Er ist Podolski.
Und er ist immer noch da.
Weil er nicht anders kann.

