„Es gibt nur einen FCH!“ – Der bizarre Markenkampf zwischen Homburg, Hansa und Heidenheim
Punk, Politiker und Fußballfan Moses Arndt erklärt, warum für ihn nur der FC 08 Homburg das Kürzel FCH tragen darf.
**„Es gibt nur einen FCH!“
Der bizarre Markenkampf zwischen Homburg, Hansa und Heidenheim**
Es klingt wie ein satirisches Bühnenstück, ist aber ein echtes Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt: Drei Vereine – der FC Homburg, der FC Hansa Rostock und der 1. FC Heidenheim – streiten sich um vier Buchstaben.
Genauer gesagt um **drei**: **FCH**.
Was im ersten Moment wirkt wie ein regionaler Kommentarstreit in einer Facebook-Fangruppe, entpuppt sich beim genaueren Hinsehen als einer der kuriosesten Markenkonflikte des deutschen Fußballs.
Und mittendrin: **Moses Arndt**, Punk, Musiker, Verleger, Bundestagsabgeordneter – und Homburg-Fan durch und durch.
Wir haben mit ihm gesprochen. Und selten hat ein Gespräch so charmant, so absurd und so herrlich fußballromantisch begonnen wie dieses.
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I. Der Streit, der keiner sein sollte – und doch einer wurde
Drei Vereine, drei Welten:
- **FC 08 Homburg** – Traditionsverein aus dem Saarland, Bundesliga in den 80ern, legendär im DFB-Pokal, Wohlfühlheimat für Punks und Dorfkult.
- **FC Hansa Rostock** – Ost-Tradition, DDR-Meister, Kultfanbasis, Hafenstadt, Flutlichtromantik.
- **1. FC Heidenheim** – Aufsteiger, Musterverein, Datenfußball, Stabilität, Erfolgsgeschichte aus der Provinz.
Jeder von ihnen nutzt das Kürzel **FCH**.
Doch wer hat das Recht, es zu *schützen*?
Die Frage landete beim DPMA – und plötzlich ging es nicht mehr um Fußball, sondern um Markenrecht, Tradition, Identität.
Und ums Ego. Denn Fußball wäre nicht Fußball, wenn Emotionen nicht die nüchternsten Themen kapern würden.
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II. Moses Arndt: „Das ist doch völlig klar!“
Arndt wirkt, als hätte er auf diese Frage seit 40 Jahren gewartet.
> **„Es gibt nur einen FCH – und das ist der FC 08 Homburg!“**
Er sagt das nicht arrogant, nicht provozierend, sondern mit der Überzeugung eines Mannes, der Stadionluft eingeatmet hat, bevor er laufen konnte.
Warum für ihn alles klar ist?
> **„Weil wir der Traditionsverein sind. Weil wir der echte Fußballclub sind. Weil Heidenheim praktisch gestern gegründet wurde und Hansa zu DDR-Zeiten noch hinter der Grenze war, als wir Bayern geschlagen haben.“**
Das Gespräch nimmt Fahrt auf.
Es dauert keine 20 Sekunden, bis Homburgs größte Heldentaten fallen:
- **3:1 gegen den FC Bayern** 1977
- Weltpokalsiegerbesieger – *lange vor St. Pauli*
- Südamerikaner in den 80ern
- Bundesliga-Abenteuer
- Uwe Klimaschefski-Anekdoten
Arndt liebt diesen Verein mit jeder Synapse.
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III. Ein Traditionsverein, der mehr erlebt hat als manche Erstligisten
Um Arndt zu verstehen, muss man Homburg verstehen.
Dieser Klub wirkt oft wie eine Randnotiz, aber seine Geschichte erzählt sich wie ein Roman:
### **Bundesliga? Ja, drei Jahre!**
In den 80ern spielte der FCH gegen Bayern, Gladbach, Dortmund.
Nicht immer erfolgreich – aber immer eigenständig.
### **Südamerikaner, bevor es cool war**
Sergio Maciel, Rodolfo Cardoso – sie alle landeten in Homburg, bevor größere Vereine sie entdeckten.
### **DFB-Pokal? Legendär**
1977 gegen Bayern.
3:1.
25.000 Zuschauer im Waldstadion – offiziell passen 20.000 rein.
Arndt erinnert sich:
> **„Ich war 14. Es war unfassbar laut, unfassbar eng. Leute hingen im Wald auf Bäumen. Das war Fußball pur.“**
### **Uwe Klimaschefski – Kulttrainer und Chaosfigur**
Ein Trainer wie aus einem 80er-Jahre-Film:
- Platzwart an Torpfosten gefesselt, damit Spieler scharf schießen
- legendärer Satz: *„Halt mal kurz mein Brötchen“* – bevor er einem Fan eine schepperte
- Erklärung, warum er nicht nach München oder Berlin wechselte:
> **„Nur in Homburg darf ich ungestraft bei Rot über die Kreuzung fahren.“**
Arndt lacht herzlich, als er die Anekdoten erzählt.
Und man merkt:
Für ihn steckt in Homburgs Geschichte alles, was Fußball ausmacht.
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IV. Und Heidenheim? Und Hansa? Was sagen die?
Natürlich wäre es zu einfach zu sagen:
Homburg = Tradition
Heidenheim = zu neu
Hansa = Ostliga
Denn so einfach ist es nicht.
### **1. FC Heidenheim 1846**
- Der Gesamtverein ist steinalt, aber
- die Fußballabteilung existiert seit 1911
- der moderne Club „1. FC Heidenheim“ wurde erst spät gegründet
- der Erfolg ist neu, aber seriös
- Marketing, Markenführung, Struktur → bundesligareif
Heidenheim nutzt FCH professionell – und will markenrechtlich Klarheit.
### **FC Hansa Rostock 1965**
- Ost-Legende
- Riesiger Fankult
- Identität, Tradition, Geschichte
- „Hansa“ ist in Deutschland ein Markenbegriff
Auch Hansa nutzt FCH sichtbar.
Und will es schützen.
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V. Das DPMA muss entscheiden – der Fußball schaut zu
Die zentrale Frage lautet:
**Kann man Buchstaben schützen, die mehrere Vereine seit Jahrzehnten nutzen?**
Die Antwort ist kompliziert:
- Markenrecht interessiert Tradition nicht
- Es geht um Erstnutzung
- Es geht um Schutzklassen
- Es geht um Verwechslungsgefahr
- Und es geht um wirtschaftliche Interessen
Was für Arndt völlig klar ist,
wird für Juristen ein komplexer Fall.
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VI. Warum der Streit eigentlich größer ist als FCH
Der Konflikt zeigt ein Grundproblem des modernen Fußballs:
**Identität wird zur Marke.
Marke wird zum Kapital.
Kapital bestimmt die Zukunft.**
Ein Kürzel ist nicht nur Nostalgie.
Es ist:
- Merch
- Social Media
- Reichweite
- Fanbindung
- Image
- Sponsoring
Wer FCH „gehört“, bestimmt,
wer wirtschaftlich davon profitiert.
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VII. Moses Arndt über Fankultur, Punk und den Fußball von heute
Arndt ist Punk.
Und Politiker.
Und Fußballromantiker.
Er spricht über Kommerz, Tradition, Moderne:
> **„Ich habe nichts gegen Entwicklung. Aber wenn Identitäten kommerzialisiert werden, sollte man wissen, wem sie gehören.“**
Er versteht, warum Clubs Marken schützen wollen.
Aber er sieht darin auch eine Gefahr:
> **„Fußball hat Werte, die nicht verkauft werden sollten: Zugehörigkeit, Geschichten, Orte. FCH ist für Homburg nicht nur ein Kürzel – es ist ein Gefühl.“**
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VIII. Ein Blick zurück: Wie Arndt überhaupt zum Fußball kam
Sein erstes Spiel?
Nicht in Homburg, sondern bei Borussia Neunkirchen.
Im Ellenfeldstadion.
> **„Das schönste Stadion der Welt. England-Feeling pur.“**
Nostalgie überzieht das Gespräch wie ein feiner Nebel.
Doch Arndt ist kein Nostalgiker, der den modernen Fußball verachtet.
Er ist jemand, der beides kann:
- Punk und Politik
- Vergangenheit und Zukunft
- Emotion und Analyse
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IX. Worum es am Ende wirklich geht
Der Streit vor dem DPMA ist ein Anlass.
Aber der Kern ist ein anderer:
**Wem gehört ein Verein?
Wem gehört ein Gefühl?
Wem gehört Geschichte?**
Für Arndt kann die Antwort nur lauten:
**„Der FCH gehört seinen Fans.“**
Und damit meint er:
die aus Homburg.
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X. Fazit: Drei Buchstaben, drei Vereine – und ein absurdes, schönes Stück Fußballkultur
Der Ausgang des Markenstreits ist offen.
Vielleicht entscheidet das DPMA rational.
Vielleicht entscheidet es emotional.
Vielleicht endet es in Koexistenz.
Aber eines hat dieser Streit bereits gezeigt:
Fußball lebt nicht von Aufstiegen und Tabellenplätzen.
Fußball lebt von Geschichten.
Von Fans wie Moses Arndt.
Von Erinnerungen an Momente, in denen 25.000 Menschen in ein 20.000er-Stadion passen.
Von Trainern, die Platzwarte an Torpfosten fesseln.
Von Bayern-Siegen im Waldstadion.
Ob Homburg am Ende „FCH“ behalten darf, ist fast zweitrangig.
Denn eines ist klar:
**Für Moses Arndt – und viele andere – gab es immer nur einen FCH.
Und wird es immer nur einen geben.**
Tom Richter
Redakteur bei KickKultur