Wollitz setzt auf Regeneration – Energie bangt um Henry Rorig
Vor dem Spiel gegen Viktoria Köln erlebt Energie Cottbus eine Woche zwischen Hiobsbotschaft, Ausfällen und ungeplanter Regeneration.
WOLLITZ SETZT AUF REGENERATION – ENERGIE COTTBUS BANGT UM HENRY RORIG
Energie Cottbus kämpft um die Tabellenführung, doch der sportliche Fokus liegt aktuell hinter einem medizinischen Fragezeichen verborgen. Henry Rorig, Leistungsträger und Dauerläufer der Lausitzer, droht mit einer möglichen Herzmuskelentzündung langfristig auszufallen. Eine Nachricht, die Trainer Claus-Dieter Wollitz als Hiobsbotschaft bezeichnet und die den Verein in eine Woche voller Unsicherheit stürzt.
VOR DEM SPIEL: EIN KADER AM LIMIT
Die Pressekonferenz vor dem Wochenende begann mit einer Liste, die länger war als jede Wunschvorstellung des Cottbuser Trainers. Ted Tattermusch, Jonas Hofmann und Jannis Juckel stehen definitiv nicht zur Verfügung. Erik Tallig und Can Yayha Moustfa sind fraglich. Selbst bei Merveille Biankadi, dessen MRT positive Ergebnisse brachte, besteht nur eingeschränkte Einsatzfähigkeit.
Doch kein Name schockte so sehr wie jener von Henry Rorig. Der 25-Jährige klagte im Landespokalspiel gegen Babelsberg über ein Stechen im Brustbereich und wurde seit Montag krankgeschrieben. Am Dienstag folgte die Erkenntnis, dass umfangreiche Untersuchungen notwendig sind. Im Raum steht eine Herzmuskelentzündung – ein Befund, der nicht nur die sportliche Planung sprengt, sondern die Gesundheit des Spielers in den Mittelpunkt rückt.
Wollitz stellte klar: „Es gibt keine Freigabe aus dem Klinikum für Sport.“ Er verwies auf auffällige Blutwerte und kündigte ein MRT an, das endgültige Gewissheit bringen soll. „Wenn es ums Herz geht, sollte alles ausgeschlossen werden.“ Es sind Sätze, die zeigen, wie ernst die Lage ist.
EINE WOCHE OHNE TRAINING – UND MIT VIELEN UNWÄGBARKEITEN
Die sportliche Vorbereitung auf Viktoria Köln verlief ungewöhnlich. Nach dem Auswärtssieg in Essen kehrte die Mannschaft erst in den frühen Morgenstunden nach Cottbus zurück. Wollitz entschied, auf klassische Trainingseinheiten zu verzichten. Stattdessen setzte er auf Regeneration, ergänzt durch obligatorische DFB-Gespräche über Spielmanipulation und Sponsorentermine.
Für den Trainer war diese Entscheidung alternativlos. „Ich bin überzeugt, dass es Sinn macht, die Mannschaft nicht zu belasten“, erklärte er. Die vergangenen Tage hätten an Kräften gezehrt. Schlafmangel, Reisestrapazen, mentaler Druck – alles Elemente, die körperliche Vorbereitung zweitrangig erscheinen ließen.
WOLLITZ FORDERT TROTZDEM KLARHEIT UND HALTUNG
Trotz aller Regeneration: Missverhalten akzeptiert Wollitz nicht. Er machte unmissverständlich deutlich, dass mangelnde Einstellung keine Entschuldigung findet. Seine Worte waren scharf, besonders im Hinblick auf die zahlreichen auslaufenden Verträge und die damit verbundene Unruhe.
„Die Berater machen ihren Job, bieten ihre Spieler an, weil von Cottbus nichts kommt“, erklärte er und kritisierte damit indirekt die angespannte wirtschaftliche Lage des Vereins. Schon im Vorjahr war der verpasste Aufstieg nicht nur sportlicher Natur – auch wirtschaftliche Unsicherheiten spielten eine zentrale Rolle.
Für Wollitz gilt: „Wenn es so kommt, werde ich das nicht dulden. Dann fahre ich mit der U 19.“
Es ist eine klare Warnung an alle Profis: Wer mehr mit Vertragsfragen als mit Leistung beschäftigt ist, hat in seiner Mannschaft keinen sicheren Platz.
VIKTORIA KÖLN: EIN GEGNER MIT IDENTITÄT UND INTENSITÄT
Trotz aller internen Probleme richtet sich der Blick auch auf den kommenden Gegner. Wollitz zeigte großen Respekt vor der Viktoria, die trotz Sommerumbau eine stabile Saison spielt. „Sie machen es in ihrer Situation wirklich richtig gut“, lobte er und hob insbesondere Identität, Intensität und taktische Stabilität hervor.
Um gegen die Kölner zu bestehen, brauche es vor allem Mut im Gegenpressing, eine saubere Struktur und die körperliche Bereitschaft, die trotz der ungewöhnlichen Trainingswoche abrufbar sein muss.
DER BELASTUNGSMANAGER WOLLITZ
Claus-Dieter Wollitz ist seit Jahrzehnten im Geschäft, doch selten wirkte ein Gegner so komplex wie die Kombination aus Verletzungen, medizinischen Risiken und Vertragsunruhe. Er spricht viel über Physis, Mentalität, Belastungssteuerung – nicht als Ausreden, sondern als Realität des Drittligafußballs, in dem jeder Prozentpunkt zählt.
Seine Botschaft ist klar: Die Mannschaft muss trotz fehlender Trainingsintensität bereit sein. Und sie muss zusammenhalten. Nicht aus Pflichtgefühl, sondern weil der Verein sie braucht.
EIN SPIEL, DAS MEHR IST ALS EIN SPIEL
Im Schatten der Tabellenführung wirkt der Fall Henry Rorig wie ein Mahnmal für die Zerbrechlichkeit des Geschäfts. Wollitz’ Sorge ist echt, der Umgang besonnen. Gesundheit steht über sportlichem Erfolg, und trotzdem darf der Verein nicht in Schockstarre verfallen.
Energie Cottbus geht in ein Wochenende, das von Fragezeichen geprägt ist. Von Regeneration statt Rhythmus. Von medizinischer Vorsicht statt sportlicher Aggressivität. Von wirtschaftlichen Sorgen statt normaler Vorbereitung. Und von der Hoffnung, dass sich Rorigs Verdacht nicht bestätigt.
Am Ende bleibt die Erkenntnis: Fußball besteht nicht nur aus Taktik und Technik, sondern aus Menschen, deren Körper und Herzen verletzlich sind. Wollitz weiß das – und versucht, Haltung zu bewahren.
Stefan Müller
Redakteur bei KickKultur